So, 13.10.2019, 20:30 Uhr, Porgy & Bess
Weitere Termine:
Fr, 11.10.2019, 20:00 Uhr, Reichshofsaal Lustenau
Sa, 12.10.2019, 20:00 Uhr, Posthof Linz
Tanita Tikarams Geschichte begann in Basingstoke, England. Es war 1988: die Charts wurden von House Musik dominiert, Celine Dion gewann den Eurovision Songcontest und Cliff Richards „Mistletoe and Wine“ war DER Weihnachtshit. Im September jenes Jahres gesellte sich jedoch noch etwas völlig Neuartiges dazu: Ancient Heart, das selbstgeschriebene Debütalbum einer gerade 19-jährigen aus Hampshire.
Es war eine eher herbstlich anmutende Platte, die für Rock unübliche Instrumente wie Oboe oder Flügelhorn beinhaltete und in deren Zentrum eine dunkle emotionale Stimme stand, die Tanita Tikarams‘ wahres Alter verbarg. Für 1988 war es ein schlichtes und melancholisches Album, völlig untypisch für die Zeit und doch verkaufte es sich vier Millionen Mal und katapultierte vier Singles in die Charts. „Good Tradition“ schaffte es in die Top 10 und „Twist in my Sobriety“ wurde ein absoluter Welthit, der zig-fach von unterschiedlichsten Interpreten gecovert wurde, einschließlich einer berauschenden Elektropop-Version von Liza Minnelli.
In demselben Jahr trat sie bei Top of the Pops auf und ging auf eine ausgedehnte Tour. Zahlreiche Artikel nannten sie „The Bard of Basingstoke“ was mit ihren schwermütigen poetischen Texten und auch ihrer ernsten Distanziertheit zusammenhing. „Als ich jung war, war ich ein wenig arrogant“, gibt Tanita Tikaram zu. „Es war harmlos, ‚The Bard of Basingstoke’ genannt zu werden, aber ich würde mich sehr angreifbar fühlen, wenn ich heute 18 wäre. Ich wurde mitten ins Rampenlicht gestellt, aber ich war wie eine Traumwandlerin, nichts was um mich passierte kam mir seltsam vor. Heute blicke ich zurück und finde: Das alles war bizarr und unwirklich. Ich war ziemlich naiv.“ Der Erfolg kam völlig überraschend für Tanita Tikaram – eigentlich hatte sie einen Studienplatz an der Manchester University für Englische und Amerikanische Literatur und beabsichtigte ernsthaft zu studieren; dann wurde Good Tradition ein Hit und ihre Zukunft nahm eine völlig neue Richtung.
Knapp 30 Jahre später, nach ihrem neunten Studio Album „Closer to the People“, ist Tanita Tikaram eine britische Singer-Songwriterin, die es geschafft hat. Jahre bevor durch Riot Grrrl und Lilith Fair weibliche Künstlerinnen in den Vordergrund des Musikbusiness rückten, schrieb sie bereits ihre eigene Musik und blieb sich dabei vollkommen treu. Trotz des Ruhms blieb sie bodenständig, kam niemals in der Klatschpresse vor, war auf keinen Events der Musikbranche zu finden und war, abgesehen von ihrem Platin Status, keine typische „Berühmtheit“. „Closer to the People“, ihr erstes Album seit „Can’t go back” (2012), ist die Arbeit einer immer noch zurückgezogenen Individualistin, deren Schreibstil und Stimme nun völlig ausgereift sind. Die essentiellen Tikaram Elemente – ihre komplexen Melodien und ihre unverkennbare Stimme – sind immer noch sehr präsent.
Tanita Tikaram hat schon immer lange Pausen zwischen ihren Alben gemacht. Auf „Ancient Heart“ folgten zwar drei Alben in sehr kurzem Abstand – „The Sweeper Keeper“ (1990), „Everybody’s Angel“ (1991) und „Eleven Kinds of Loneliness“ (1992) – aber dann legte sie eine lange Pause zum Luftholen ein. „Wenn du jung einsteigst, arbeitest du sehr intensiv, verausgabst dich. Erst danach beginnst du eigentlich herauszufinden wer du wirklich bist,“ sagt sie. Jedem Album seit den frühen 90ern folgte eine bewusste Phase außerhalb des Scheinwerferlichts. In der Zeit dazwischen führte sie ein ruhiges, aber fleißiges Leben in Italien, Frankreich und England und verbrachte ihre Zeit damit Sprachen zu lernen, Tai-Chi zu praktizieren und Songs zu schreiben.
In der Zeit in der „Can’t Go Back“ entstand, fragte sie sich sogar, ob sie überhaupt Songwriterin sein wolle. Die Erfahrung Teil einer Band zu sein führte zu der Entscheidung: Ja ich will! „Ich bin so aufgeregt und glücklich über ‘Closer to the People‘. Meine Perspektive hat sich in der Zwischenzeit so stark verändert. Ich bin viel getourt, aber immer mit dem Gefühl mit meinen Kumpels unterwegs zu sein. Bobby (Anm.d.Red.: Bobby Irwin, Schlagzeuger, der vor Fertigstellung des Albums verstarb) war brillant darin Leute zusammenzubringen. Er war es, der mir das Gefühl gab eine richtige Musikerin zu sein.“
Das neue Album zollt diesem Vertrauen in ihre musikalischen Fähigkeiten Tribut und ist beeinflusst von Anita O’Day, Philip Glass und Thelonious Monk. Tanita Tikaram hat O’Day, eine viel-verehrte Jazz-Sängerin die mit Drogenabhängigkeit kämpfte, erst kürzlich für sich entdeckt und nachdem sie ihre Autobiografie gelesen hatte – „Sie hatte eine unglaubliche Leidenschaft für das Leben trotz ihrer Heroinsucht“ – komponierte sie den Song „Closer to the People“. Das Lied kommt ohne überflüssigen Schnickschnack aus, hat aber viel Leidenschaft: für Tanita Tikaram ist es ein melodisches Motiv, dass ihr Hipster-Leben widerspiegelt.
„Ich will es nicht romantisieren, aber es war ungewöhnlich und faszinierend“
Der wohl verblüffendste Song ist der letzte des Albums: „My Enemy“. Tanita Tikarams Phrasierungen über der meditativen Klavier-Ballade sind purer Jazz; die Texte sind von einem Freund inspiriert, der Opfer von Kindesmisshandlung wurde und Tanita Tikaram bat, darüber ein Lied zu verfassen. „Ich sagte, Ich kann das nicht – es ist mir ja niemals passiert und ich habe keine Vorstellung davon wie sich das angefühlt haben muss.“ Schließlich begann sie sich aber vor allem damit auseinanderzusetzen, wie man dieses Dogma überwinden könnte und der Song begann Gestalt anzunehmen. Das Resultat ist ein weiteres musikalisches Highlight in ihrer Karriere.
Heute lebt sie in einer Wohnung in Nord-London und „Ich höre viel mehr Musik als früher“, bemerkt sie abschließend. „Die größte Offenbarung für mich ist es, einen runden, in sich geschlossenen Sound zu erzeugen.“ Und das hat sie unbestreitbar getan. „Ich bin keine sehr dramatische Person, aber ich habe ein Feuer in mir. Ein stilles Feuer.“
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